Digitalprofis auf der ISH

DRIVR / openHandwerk (Montage: Pechal)
Zwei Digital-Profis (v.l.): Friedrich Arnold (Drivr) und Martin Urbanek (openHandwerk)
DRIVR / openHandwerk (Montage: Pechal)

Start-ups bringen Bewegung in die Welt der Gebäudetechnik. Etwa 30 Start-ups werden auf der ISH digital ihre Innovationen vorstellen. Seit 2019 bietet die Messe Frankfurt gemeinsam mit der VdZ (Forum für Energieeffizienz in der Gebäudetechnik) ein spezielles Programm für junge Gründer.

von: Redaktion

Der Fokus der teilnehmenden Start-ups reicht von Ideen zum Klimaschutz über Produktinnovationen in den Bereichen Wasser, Luft, Heiztechnik bis hin zu Lösungen durch Digitalisierung. Im Interview gehen Friedrich Arnold (Drivr) und Martin Urbanek (openHandwerk) der Frage nach, was sich junge Start-ups von der Messeteilnahme erhoffen und wie die Zusammenarbeit von Unternehmen und Start-ups weiter verbessert werden kann.

Herr Arnold, Start-ups gelten innerhalb der Gebäudetechnikbranche als Innovationstreiber. Was macht Ihr Produkt besonders?
Friedrich Arnold: Drivr ist ein IoT-Backend, eine Art zentrales Nervensystem, bei dem alle Daten, die von Maschinen generiert und von Menschen beeinflusst werden, zusammenlaufen. Unser Ziel ist es, mit Drivr das entwicklerfreundlichste IoT-Backend der Welt zu bauen. Unternehmen der Gebäudetechnik, die unser IoT-Backend einsetzen, erleichtern dadurch die Arbeit ihrer eigenen Softwareentwickler enorm. Das ist für unsere Kunden wichtig, weil deren Digitalvorhaben ohne Softwareentwickler nicht gelingen können. Den wenigen Entwicklern, die man im Team hat, möchte man dann die Arbeit so angenehm wie möglich machen. Und da kommt Drivr ins Spiel.

Herr Urbanek, der Fachkräftemangel spielte auch bei der Entstehung von openHandwerk eine entscheidende Rolle, oder?
Martin Urbanek: Wir haben openHandwerk gegründet, weil wir als Handwerksbetrieb zu viele Aufträge und zu wenig Personal hatten. Gleichzeitig gab es viele wiederkehrende Prozesse. Diese zu digitalisieren, zu automatisieren und dadurch auch die Kommunikation für den Handwerker zu vereinfachen, war die Idee. Es geht darum, in den Betrieben eine digitale Infrastruktur zu schaffen, denn nur so kann ich die Signale und Daten, die mir z.B. die Kollegen von Drivr schicken, überhaupt erst empfangen. Das Handwerk braucht den digitalen Workflow. openHandwerk ist eine Cloud-Software für Handwerker, die Prozesse in Handwerksunternehmen durch digitale Anwendungen effizienter macht. Dabei setzen wir auf Software-Service-Lösungen, die von der Auftragsverwaltung, über die Ressourcenplanung bis zur digitalen Dokumentation der Baustelle alle Arbeitsschritte zusammenführt. openHandwerk verfügt über verschiedene Schnittstellen, um die Welten miteinander zu verknüpfen, und somit ohne Datenbrüche den Handwerksbetrieb effizient führen zu können.

Bei Herrn Urbanek kam die Idee zur Gründung gemeinsam mit einem Handwerksbetrieb. Wie war das bei Ihnen, Herr Arnold?
Arnold: Am Anfang stand die Zusammenarbeit mit einer großen Wohnungsgesellschaft und konkret die Frage, wie all die unterschiedlichen Heizungen in den Objekten der Wohnungsgesellschaft digitalisiert werden können, ohne dabei zig verschiedene IoT- Plattformen einzusetzen. Wir wollten herausfinden, ob eine herstellerunabhängige Lösung möglich wäre. Aus diesem anfänglichen Projekt ist die Idee zu Drivr entstanden. Kunden wie die erwähnte Wohnungsgesellschaft möchten letztendlich, dass ihnen die Hersteller von Heizungen eine Anwendungsschnittstelle (API) anbieten, die direkt in deren Facilitymanagement-Software einfließt. Diese Art von API war vor zwei Jahren noch nicht weit verbreitet und genau das macht Drivr möglich.

Durch die Teilnahme an der ISH haben Sie die Möglichkeit, Ihre Produkte einem internationalen Publikum vorzustellen. Wie wichtig ist es für Ihre Start-ups, internationale Verbindungen zu knüpfen?
Urbanek: Mit openHandwerk sind wir derzeit in der DACH-Region vertreten, haben aber auch schon erste Kunden aus Spanien. Zum 4. Quartal planen wir, verstärkt international aufgestellt zu sein.
Arnold: Auch Drivr ist international ausgerichtet, gestartet sind wir aber in Zusammenarbeit mit einem deutschen Heizungshersteller. Momentan setzen wir zusätzlich Projekte mit Unternehmen in den Niederlanden um. Wir haben derzeit einen europäischen Footprint, möchten aber weltweit tätig werden.

Die ISH digital kommt für beide Produkte zum genau richtigen Zeitpunkt. Waren Sie in der Vergangenheit bereits einmal auf der Weltleitmesse oder ist das für Sie eine Premiere?
Urbanek: Wir waren als Startup 2019 bereits live dabei. Unsere Softwarelösung ist von ihrer Funktionalität her gewachsen. Mittlerweile werden die Firmen, die mit uns zusammenarbeiten, ebenfalls immer größer. Auf der ISH digital können wir unsere Entwicklung und die Möglichkeiten, die unsere Software bietet, interessierten SHK- Betrieben präsentieren. Außerdem ist es für uns als Start-up wichtig, neue Kontakte zu Herstellern und Händlern zu knüpfen. Denn wenn sich Hersteller und Händler in unseren Prozess einfügen, werden wir effizienter.
Arnold: Mit Drivr feiern wir auf der ISH Premiere. Ich persönlich war mit meinen Gründerkollegen auf der letzten ISH. Das war eine großartige Inspiration. Wir haben uns die ganzen Heizungsunternehmen angeschaut und haben viele Gespräch geführt. Es war für uns sehr motivierend zu erleben, wie stark die Branche in Bewegung ist. Wir hatten das Gefühl, dass der Zeitpunkt genau richtig ist für unsere Startup-Idee. Deshalb haben wir uns anschließend so stark auf die Gebäudetechnikbranche konzentriert. Das richtige Timing ist für Start-ups ausschlaggebend.

In diesem Jahr findet die Messe pandemiebedingt digital statt. Was wünschen Sie sich als Experten fürs Digitale von der digitalen ISH?
Urbanek: Corona ist für die Digitalisierung der Branche ein Brandbeschleuniger. Natürlich ist eine offline Messe spannender, um die Leute zu sehen und sich auszutauschen. Als Start-ups sind wir es aber gewohnt, unsere Software digital zu präsentieren und zu verkaufen. Die ISH digital ist deshalb für uns ein spannendes Format. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass es digital einfacher ist, Hersteller und Händler zu kontaktieren als sie an meinen Messestand in der Start-up-Halle zu lotsen. Lassen wir uns überraschen.
Arnold: Der große Vorteil einer digitalen Messe liegt in der besseren Messbarkeit. Wir werden besser nachverfolgen können, wer zu uns kommt, mit wem ein Austausch stattfindet und wozu dieser führt. Digital können Interessenten schnell mal auf unser Profil schauen oder werden über das Start-up-Programm auf uns aufmerksam. Anders als bei einer Messe vor Ort dominieren im Digitalen nicht die großen Stände. Das spielt besonders kleineren Unternehmen und Start-ups mit spannenden Produkten in die Hände. Und der CO2-Fußabdruck eines digitalen Messeformats ist deutlich kleiner.

Bleiben wir beim Thema Nachhaltigkeit. Wie wichtig sind Nachhaltigkeit, Klimaschutz, CO2-Reduzierung in ihren Geschäftsmodellen? Und gibt es Start-ups, die das nicht mehr mitdenken?
Urbanek: Wenn ich sagen würde, wie haben unsere Software gebaut, um nachhaltig und ressourcenschonend zu sein, wäre das gelogen. Aber klar; dadurch, dass ich papierlos werde, keine Leerfahrten zu Baustellen mehr habe, dadurch, dass ich als Betrieb effizienter werde, zahlt das auch auf Klima- und Umweltaspekte ein.
Arnold: Die Sustainable Development Goals sind uns als Team, das eine starke intrinsische Motivation hat, sehr wichtig. Natürlich wollen wir mit unserem IoT-Backend etwas Gutes schaffen. Unser Erfolg als Start-up wird sich nicht nur daran messen, wie viele Geräte wir in zehn Jahren untereinander verbunden haben, sondern auch wie viele Softwareentwickler wir befähigt haben, DRIVR einzusetzen und damit Ressourcen zu schonen. Denn indem Daten besser gespeichert werden können und die Rechenkapazität effizienter eingesetzt wird, wird der CO2-Ausstoß verringert. Wir sind stolz darauf, dass wir den CO2-Fußabdruck von Unternehmen mit Drivr verbessern können. Zum Beispiel überlegt unser Kunde, wie mit DRIVR aus der Ferne der Wirkungsgrad einer Heizung optimieren werden kann. Während der ISH möchten wir mit Geräteherstellern ins Gespräch kommen, die aktuell genau über solche Probleme nachdenken und auf der Suche nach einem Technologiepartner sind.

Start-ups wird häufig eine Schlüsselrolle zur Bewältigung der Energiewende und zur Umsetzung der Klimaziele im Gebäudebereich zugeschrieben. Können Start- ups dieser hohen Erwartungshaltung überhaupt gerecht werden?
Arnold: Start-ups alleine können die Welt nicht retten. Dazu müssen alle in der Branche zusammenarbeiten. Von Start-ups geht jedoch ein großer Innovationsschub aus. Gleichzeitig ist es nicht einfach, in der Branche Fuß zu fassen. Eine Schwierigkeit liegt in den zwei Geschwindigkeiten, in denen Start-ups und etablierte Unternehmen agieren. Gibt es überhöhte Erwartungen? Absolut! Aber diese Erwartungshaltung sind menschlich und Teil eines Lernprozesses.
Urbanek: Wir merken insgesamt, dass es eine zum Teil sehr überzogene Erwartungshaltung gibt. Gleichzeitig herrscht vielerorts eine Datensilo-Denken vor. Die Branche schafft es bislang nicht, eine einheitliche Datenbasis zu schaffen. Wir brauchen ein neues Mindset, denn gemeinschaftlich kann man mehr erreichen und einen entsprechenden Mehrwert schaffen.

Das Interesse in der Branche an Start-ups ist groß und die ISH ein passender Ort, um Kontakte zu knüpfen und auszubauen. Was wünschen Sie sich aus Sicht eines Start-ups von Unternehmen, die mit Ihnen zusammenarbeiten möchten?
Arnold: Wir brauchen eine effizientere Schnittstelle zwischen Start-ups und Unternehmen. Denn im Endeffekt ist die wertvollste Ressource, die ich habe, Zeit. Start-ups sind schnell getaktet. In Unternehmen herrscht teilweise eine andere Zeitrechnung. Überspitzt formuliert: Wenn eine Fünfwochenstrategie auf eine Fünfjahresstrategie prallt, führt das zu keinem Ergebnis. Als Start-up, das am Markt bestehen will, müssen wir schnell sein, gezielt Entscheidungen treffen und Partnerschaften nach wenigen Wochen besiegeln. Als Start-ups sind wir ja nicht die Change-Manager der Konzerne, sondern verkaufen ein bestimmtes Produkt. Das ist ein echter Knochenjob. Blindleistungen und zu lange Anbahnungsphasen können wir uns nur sehr bedingt leisten. Diese schnelle Taktung sollte Konzernen klar sein, wenn sie erfolgreich mit einem Start-up arbeiten möchten.
Urbanek: Dem stimme ich absolut zu. Diese Schnittstellenproblematik macht das Leben eines Start-up Gründers aber auch ein Stück weit aus. Jeder muss am Anfang durch das Tal der Tränen. Auch wir hatten viele Gespräche mit Unternehmen, die im Sande verliefen, weil Unternehmen mit falschen Erwartungen an eine Zusammenarbeit herangegangen sind. Wir bieten ja kein Business-Development an, sondern ein konkretes Produkt. Der Zeitfaktor in der Zusammenarbeit ist entscheidend. Um das Schnittstellenbeispiel von Friedrich Arnold aufzugreifen: Ich kann eine Schnittstelle in seine Welt innerhalb von zwei Stunden fertigstellen. Was ich als Start-up rein aus wirtschaftlichen Gründen nicht kann, ist, mich sieben Monate lang mit einer Schnittstelle zu beschäftigen, weil sich die Abstimmungsprozesse mit dem Unternehmen so sehr in die Länge ziehen.

Eine erfolgreiche Zusammenarbeit hängt also maßgeblich davon ab, ob Unternehmen in der Taktung, die Start-ups vorgeben müssen, um bestehen zu können, mithalten zu können?
Arnold: Absolut. Die Erwartungshaltung von Unternehmen und Start-ups abzugleichen ist sehr wichtig. Auf der anderen Seite wären weder Martin Urbanek noch ich im Bereich Gebäudetechnik aktiv, wenn wir uns den hiesigen Unternehmen nicht auch ein Stück weit angepasst hätten und auch bei sich hinziehenden Verhandlungen zu guten Ergebnissen kämen.

 

Vielen Dank für das Gespräch! 
Die Fragen stellte Stefanie Bresgott, VdZ.


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