Was halten Sie von der Initiative „Raus aus dem Öl“? Wie wirkt sie sich in der Praxis aus?
Martin Reichard: Eine Befragung von Ölheizungsbesitzern Anfang 2020 hat gezeigt, dass über 90 Prozent mit ihrer Anlage (sehr) zufrieden sind und nur einer von zehn Ölheizungsbesitzern „auf jeden Fall“ an einen Energieträgerwechsel innerhalb der nächsten fünf Jahre denkt. Ein Energieträgerwechsel kostet im Schnitt 20.000 Euro pro Anlage im Einfamilienhaus. In diesem Betrag sind aber flankierende Maßnahmen noch nicht berücksichtigt. So ist der Einbau einer Wärmepumpe nur bei gleichzeitiger umfassender Wärmedämmung des Gebäudes sinnvoll. Der Einbau einer Pelletheizung bedarf einer Adaptierung des Heizraums, nicht zu vergessen die damit einhergehende Feinstaubthematik. Ein Wechsel zu Gas ist nur eine temporäre Maßnahme, da auch Gas ein fossiler Energieträger ist und bereits schrittweise bis 2050 eingeschränkt wird. In Summe kostet ein solch massiver Einschnitt in die Beheizungsstruktur, wie er durch den „Raus aus dem Öl“-Bonus“ forciert wird, allein am Ort der Wärmeabgabe rund 13 bis 15 Milliarden Euro.
Wie ist der Stand der Dinge, was das Errichten von Ölheizungen in Österreich betrifft?
Reichard: Aus rechtlicher Sicht ist die Neuerrichtung von Ölheizungsanlagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, nicht mehr gestattet (Bundesölkesseleinbauverbotsgesetz). Ölheizungsanlagen, die mit einem alternativen flüssigen Brennstoff aus erneuerbaren Quellen betrieben werden, sind davon nicht betroffen. Hinsichtlich des verpflichtenden Umstiegs auf erneuerbare Heizungssysteme erfolgt die Umsetzung durch Landesgesetze, sodass es zu unterschiedlichen Regelungen auf Landesebene kommt.
Hat die Ölheizung noch eine Zukunft? Was sind die Vorteile gegenüber anderen Heizsystemen?
Reichard: Die dezentrale Beheizung einer bedeutenden Anzahl von Haushalten mit einem flüssigen Energieträger hat nicht nur Vorteile für den einzelnen Heizungsbesitzer, sondern auch enorme Vorteile für die gesamte Volkswirtschaft. Denn wenn nur ein Drittel der derzeitigen Ölheizungsanlagen auf Wärmepumpen umgestellt werden würden, müsste die gleiche Anzahl an Donaukraftwerken errichtet werden, die zurzeit in Betrieb sind, um den dafür notwendigen Strombedarf zu decken. Leitungsgebundene Energieträger bergen darüber hinaus auch noch die Gefahr der Überlastung der Leitungen und der Bereitstellung. Die Vorteile von Heizungsanlagen, die mit flüssigen Energieträgern betrieben werden, liegen klar auf der Hand: Aufgrund des hohen Energieinhalts des Energieträgers ist nur ein geringes Volumen zur Lagerung nötig. Auch jene Gebäude, die abgelegen liegen, können so zuverlässig beheizt werden und die Versorgungssicherheit ist durch die ausgezeichnete Lagerfähigkeit garantiert.
Ca. 700.000 Ölheizungen sind in Österreich in Betrieb; mit 2025 müssen alle Kessel, die älter als 25 Jahre sind, getauscht werden. Wie gehen die Kesselbesitzer damit um? Was halten Sie von dieser Regelung?
Reichard: Die entsprechende Regelung wurde im Regierungsübereinkommen festgelegt. Die Kompetenz zur Umsetzung liegt aber bei den Ländern und muss daher erst in Landesgesetzen formuliert werden. Wir hoffen und erwarten, dass es sowohl aus sozialen als auch aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen Ausnahmeregelungen geben wird. Eine Regelung, die einen verpflichtenden Austausch des eigenen Ölkessels vorsieht, greift in das verfassungsrechtliche Grundrecht des Eigentums ein und bedarf daher sorgfältiger Prüfung mit langer Vorbereitungszeit. Eine Enteignung der Anlage – und nichts anderes bedeutet eine Zwangsumstellung ohne soziale Abwägung – wäre unverantwortlich. Dazu gibt es bereits auch Gutachten von verschiedenen Verfassungsjuristen.