Nein, ich bin nicht der Meinung, dass wir aus der Londoner Brandkatastrophe irgendwelche Lehren für das österreichische Bauwesen ziehen können. Das wäre schlicht zynisch. Im Greenfell Tower sind 80 Menschen einen schrecklichen Tod gestorben wegen einer Anhäufung an Fehlern, die mit der österreichischen Realität wenig bis nichts zu tun haben. Zuallererst hat der bauliche Brandschutz versagt – es gab keine sinnvolle Brandabschnittsbildung, keine Fluchtstiegen, und das in einem Gebäude, das nicht im Mittelalter, sondern 1974 errichtet worden ist. Dann haben Brandmelde- und Löschanlagen gefehlt, weil die Nachrüstung mit Sprinkleranlagen zu teuer erschienen sei. Es wird berichtet, dass vor allem jene Bewohner der oberen Stockwerke überlebt haben, die in ihren Wohnungen auf Eigeninitiative Rauchmelder installiert hatten und von denen rechtzeitig geweckt wurden. Aber der wichtigste Punkt ist, dass sich das Feuer außen über eine brennbare Fassadendämmung, die erst vor Kurzem angebracht wurde, nach oben, wie an einem trockenen Bündel Reisig, gefressen hat.
Dass an der Außenseite eines Gebäudes eine brennbare Wärmedämmung völlig legal angebracht werden darf, sogar ohne dass nicht-brennbare Bremsblöcke dazwischen angebracht werden müssen, sprengt mein durch österreichische Brandschutznormen geschultes Vorstellungsvermögen. Deshalb meine ich, dass wir daraus für das österreichische Bauwesen nichts lernen können – außer vielleicht, die Brandschutznormen ernst zu nehmen.
Hierzulande sind Rohrleitungen die größte Gefahr für die Ausbreitung von Feuer, weil sie den Flammen einen Wanddurchbruch bieten, durch den sie am einfachsten in den Nachbarraum schlüpfen können. Das betrifft Wasser- und Heizungsrohre sowie Lüftungs- und Kabelschächte – also jene baulichen Maßnahmen, die in der Verantwortung des haustechnischen Gewerks liegen. Brandabschnittsbildungen sind bei uns ohnehin vorgeschrieben, Fluchtwege sowie Warn- und Löschanlagen müssen überall eingeplant werden, brennbare Dämmungen sind bei hohen Häusern verboten: Darum liegt die größte Verantwortung für die Verhinderung von Bränden bei unserer Branche.
Diese Verantwortung ist riesig: Denn ob eine Brandschutzmanschette richtig ausgewählt und sachgerecht verarbeitet wurde, das lässt sich von außen wesentlich schwieriger beurteilen als die Frage, ob eine Brandschutztüre vorhanden ist. Österreich hat, nicht zuletzt wegen der hervorragenden Arbeit der Freiwilligen und der Berufsfeuerwehren, eine sehr gute Bilanz, was die Verhinderung von Feuertoten anbelangt. Bitte schauen wir darauf, dass das so bleibt. Danke!